Besteht in der Schweiz wirklich kein Schutz für Kunden?
Vor einer Weile erschienen Presseberichte über Nicolas Puech, den Grossaktionär der Luxusmarke Hermes. Er sei betrogen worden, habe sein 13 Milliarden US-Dollar schweres Aktienpaket verloren und nicht einmal die Schweizer Gerichte würden ihm helfen. Die Geschichte ging um die Welt (Newsweek).
In der Schweiz hat #Sylvain Besson hat gut recherchierte Artikel dazu geschrieben (TagesAnzeiger). Klingt alles wie eine wilde Hollywood Geschichte. Aber stimmt das so? Ist man in der Schweiz wirklich schutzlos den Banken und Vermögensverwaltern ausgeliefert?
Richtig ist, dass die Staatsanwaltschaft kein Verfahren eröffnen wollte. Darum dreht sich der Streit vor dem „Genève Cour de Justice“, Urteil siehe hier.
Wie man dem Urteil entnehmen kann, sind für Nicolas Puech mehrere Dinge unglücklich zusammengekommen. Er verfasste eine ausführliche Strafanzeige und untermauerte diese mit vielen Dokumenten und genauen Angaben. Doch leider war seine Darstellung nicht konsistent.
Einerseits behauptete er einen Betrug und ungetreue Geschäftsführung. Andererseits bestätigte er, dass er dem Vermögensverwalter weitreichende Befugnisse eingeräumt hatte. Er unterzeichnete sogar Darlehensverträge und ermächtigte zu Verkauf- /Rückkauftransaktionen (Sale/Repo) „auf der Grundlage von Börsenkursen“, also ausserbörslich. Selbst als sich die französische Finanzaufsicht AMF wegen der Aktiendeals einschaltete, schritt Puech nicht ein.
Erst als er keine Erklärungen mehr von seinem Verwalter erhielt, wendete er sich an die Staatsanwaltschaft, damit diese Licht ins Dunkle bringen solle. Doch diese wollte nicht ermitteln.
Und hier liegt der entscheidende Punkt im Urteil: Die Staatsanwaltschaft ist kein staatlich bezahlter Privatdetektiv, den man losschicken kann, um Informationen zu beschaffen.
Gemäss Artikel 309 Strafprozessordnung eröffnet die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung, wenn sich aus der Strafanzeige ein hinreichender Tatverdacht ergibt. Aber hier war die Strafanzeige widersprüchlich und bestätigte sogar, dass der Vermögensverwalter fast uneingeschränkte Befugnisse hatte. Daher verwies das Gericht Puech auf den Zivilrechtsweg. Das bedeutet, dass er direkt von seinem Verwalter Rechenschaft verlangen muss. Dieser ist ihm nach Artikel 400 Obligationenrecht zur Auskunft verpflichtet. Und dieser Auskunftsanspruch kann auch gerichtlich durchgesetzt werden.
Kunden eines Vermögensverwalters haben ausserdem Anspruch auf eine Kopie ihrer Akten und aller sie betreffenden Dokumente nach Artikel 72 Finanzdienstleistungsgesetz. Der Finanzdienstleister muss dem Kunden innerhalb von 30 Tagen kostenlos eine Kopie der Dokumente zur Verfügung stellen. Ein ähnliches Recht ist auch im Datenschutzgesetz verankert. Bei Streitigkeiten mit einem Vermögensverwalter kann der Kunde zudem die Hilfe eines Ombudsmanns in Anspruch nehmen.
Kurzum, Nicolas Puech hat noch viele Trümpfe in der Hand und diese Geschichte wird weitergehen. Leider dauern Gerichtsverfahren in der Schweiz untragbar lang, insbesondere wenn man schon über 80 Jahre alt ist. Er wird daher gut beraten sein, wenn er seine Ansprüche rechtzeitig einem Dritten überträgt.
Abschließend sei gesagt: Egal, wie viel Vertrauen man in seine Bank oder seinen Vermögensverwalter hat, man muss sich um seine Investitionen kümmern, die Performance prüfen und seine Rechte wahrnehmen. Wer das nicht selbst tun kann, sollte sich Hilfe suchen.
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